Autoren sind oft eitle Wesen

von Dörte Eliass
Was macht eine Übersetzerin von Literatur eigentlich? Ist das nicht ein Traumberuf – in Ruhe zu Hause arbeiten, interessante Zusammenarbeit mit dem Künstler, dem „schillernden Wesen“, Beschäftigung mit Literatur, Feilen am Wort und der Formulierung? Lesungen, Treffen und Diskussionen mit Autoren? Wie ein Hobby, das man/frau sich zum Beruf gemacht hat – eben nur mit Bezahlung?
Die Realität sieht anders aus – das Übersetzen von Literatur ist ein Handwerk, in langen Jahren zu lernen, auch das Studium des Übersetzens in Wien hilft, wenn überhaupt, nur sehr peripher. Denn zumindest in Wien wird bisher fast ausschließlich das Übersetzen von Fachtexten gelehrt – im Herbst 2002 soll nun endlich ein neuer Studiengang ‚Medienübersetzen’ eingeführt werden, der auch literarisches Übersetzen beinhaltet. Dazu kommt das Know-how über Verlage: An welchen Verlag wende ich mich für welchen Autor, auf welche Texte spezialisiere ich mich, wie komme ich an gute Kontakte, woher bekomme ich Förderungen für die Arbeit, wo und wie kann ich mich austauschen?

Also sind Erfahrung und Übung angesagt, nicht zuletzt auch eine dicke Haut bei den anfangs häufigen Absagen, Gefühl für die Sprache und Geschichten, mit Glück die Arbeit mit guten Lektoren, von denen viel zu lernen ist. Entschließt sich frau tatsächlich, die Liebe zu gewissen Autoren und Texten zum Beruf zu machen, steht ein langer Hürdenlauf bevor – auch all jene Übersetzenden, die den Verlagen nicht unbedingt selbst Autoren und Autorinnen vorschlagen, müssen sich in der Regel lange bewerben, um in den Verlagsmarkt einzudringen.

Ist nun endlich ein Verlag für einen Autor gefunden, beginnt die tatsächliche Arbeit, nicht unbedingt so romantisch wie zu erwarten war: Bei der Übersetzung von Lyrik das langwierige Abklären von Feinheiten, das Erfragen des Hintergrundes eines Textes, um sich ein besseres Bild machen zu können, vielleicht sogar die Reise in das betreffende Land, um die sozialen, geschichtlichen Zusammenhänge besser zu begreifen, den Autor zu treffen. Dabei arbeiten nicht alle Übersetzende unbedingt mit den Autor zusammen – viele nehmen das geschriebene Wort als gegeben und wenden sich nicht an den Urheber des Textes.

Der Autor/die Autorin ist wohl in der Regel angetan von so viel Interesse am eigenen Werk, durch die Arbeit mit dem Autor gewinnt der Text an Lebendigkeit, nicht zuletzt steigt auch der Enthusiasmus an der Arbeit, weil die Person hinter dem Text bekannt ist. Schwierig wird es in dem Augenblick, wo der Autor/die Autorin selbst ein wenig Deutsch versteht – nicht allen fällt es leicht, die Kontrolle aus der Hand zu geben und der Übersetzenden wirklich zu vertrauen. So kommt es nicht selten vor, dass in langen Diskussionen die Übersetzungsvarianten erklärt werden müssen, um dem Autor zu vermitteln, dass seine Arbeit wirklich in guten Händen ist. Warum ist die Übersetzung nicht wörtlich, warum sind die Metaphern nicht einfach übernommen, warum findet sich diese Assonanz oder jene Alliteration anders im deutschen Text wieder? Warum sind die Anführungszeichen unten und nicht oben (tatsächlich!)? Haben Sie denn auch den Rhythmus erkannt?

Gerade das Übersetzen von Gedichten ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Welt und den Anschauungen der anderen Person, ein Eindringen in ein anderes Lebensumfeld – immer wieder die Konfrontation mit eigenen Bildern, Assoziationen und immer wieder das Differenzieren zwischen dem Eigenen und dem Gemeinten. Autoren sind dabei manchmal durchaus eitle Wesen – so kann schon mal sehr viel Zeit damit vergehen, dem im eigenen Land sehr bekannten Autor beizubringen, dass doch hier sein/ihr Text schwierig zu publizieren sei, da er oder sie eben hier einfach noch keinen Namen habe oder die Marktgewohnheiten anders seien – und trotz der intensiven Auseinandersetzung mit der anderen Person und ihrem Text ist eine wirkliche Freundschaft nicht leicht, denn oft bleibt die Übersetzerin in der untergeordneten Rolle der Vermittlerin stecken, die gemeinsame Arbeit wird zum trennenden Element. Zwar ist die Übersetzerin vor allem von Lyrik auch immer eine „Art Künstlerin“, aber eben in der Öffentlichkeit noch immer nicht vergleichbar mit dem Rang des eigentlichen Autors oder der Autorin (mit wenigen Ausnahmen). Und sicher ist diese Arbeit auch immer verbunden mit dem Engagement für eine doch fremde Person, denn hat die Übersetzerin den Autor/die Autorin „unter ihre Fittiche“ genommen, ähnelt diese Arbeit fast jener eines Agenten (nur, leider, ohne die betreffende Remuneration), denn ich will ja, dass „mein Autor/meine Autorin“ im deutschen Raum ankommt, bemühe mich nicht selten selbst um Lesungen, Rezensionen, Artikel, verschicke Übersetzungen an Literaturzeitschriften, spreche Leute an.

Die Bezahlung von Übersetzungen ist, verglichen mit dem Aufwand, schlicht und einfach schlecht – ein anspruchsvolles Gedicht erfordert die Arbeit vieler Tage, wenn nicht Wochen – immer wieder Weglegen, noch einmal Durchgehen, Nachhören, noch einmal Distanz zum Text – bei großzügigen Auftraggebern mit Verständnis für die Lage der Übersetzenden lässt sich für eine solche Arbeit der Lohn von vielleicht 53 Euro einstreichen – leben lässt sich davon kaum. Dafür gibt es ja die Förderungen, glücklicherweise noch immer vorhanden, die die Stadt Wien wie auch das Bundeskanzleramt/Kunstsektion vergibt. Auch Preise lassen sich ab und zu einstreichen, immer wieder ein kleines Extra-Bonbon, leider nur selten zu ergattern. Aber zumindest kann damit die eine oder andere Reise finanziert werden, der eine oder andere Lexikon-Erwerb wird möglich.

Aber nicht verschwiegen soll hier auch die Freude an der Arbeit sein – mit dem Autor/der Autorin auf der Bühne zu stehen (zu sitzen), die eigene Version zu lesen und die Reaktion des Publikums zu spüren, die Freude über das fertige Buch oder wenn ein Verlag tatsächlich einen Vorschlag annimmt, der Autor, die Autorin wieder ein Stück bekannter im deutschen Raum wird – die eigentliche Arbeit, die oft so langwierig, dabei aber auch befriedigend sein kann, wenn nach langem Suchen der richtige Begriff recherchiert ist, die Bedeutung eines Wortes eruiert, der passende Reim gefunden ist. Wenn der Rhythmus eines Gedichtes klingt. Wenn die Übersetzerin selbst das Gefühl hat, die Übersetzung ist gelungen, dem Autor, der Autorin gerecht geworden. Wenn das Basteln an den Worten die gewünschte Wirkung zur Folge hat.

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